verfasst von Rebecca Fritz und Hannah Grünebaum
Freiburg Wir treffen uns mit Lilly an der Dreisam. Sie trägt ein schwarzes Top, das ihre tätowierten Arme zeigt. Außerdem hat sie ihren Hund Agatha dabei, die uns neugierig anspringt. Wir setzen uns auf eine Bank in der Sonne und beginnen das Interview.
Hannah: Viele Menschen können sich unter dem Begriff Powerlifting erstmal nicht viel vorstellen. Kannst du uns zu Anfang erklären, was diesen Sport ausmacht?
Lilly: Powerlifting heißt auf Deutsch Kraftdreikampf. Das kommt daher, dass es im Wettkampf drei Disziplinen gibt. Zuerst die Kniebeuge, dann das Bankdrücken und danach das Kreuzheben. Im Training trainiert man meistens die drei Grundübungen, aber auch Assistenzübungen, die man aus dem Bodybuilding kennt.
Rebecca: Du hast selbst noch nicht an einem Wettkampf teilgenommen, aber bereitest dich darauf vor. Wie?
Lilly: Am effizientesten ist das Training, wenn man es plant. Mein Plan ist in verschiedene Blöcke eingeteilt mit jeweils anderem Fokus. Oft beginnt man mit dem Aufbau von Muskelmasse. Mit der Zeit werden es dann immer weniger Wiederholungen und schwereres Gewicht. Da geht es dann eher um Stärke und man trainiert wettkampfspezifischer. Ich gehe viermal die Woche trainieren. Der Plan gibt mir vor, welche Übungen ich mache, wie viele Sätze und Wiederholungen und wie anstrengend.
Hannah: Wir würden gerne wissen, wie du zum Powerlifting gekommen bist.
Lilly: Tatsächlich hat das ein einziges YouTube-Video von der YouTuberin megsquats ins Rollen gebracht. Das war eine kanadische Powerlifterin, die als eine der ersten Frauen auf Social Media viel übers Powerlifting gepostet hat. Ich war total perplex, weil da war eine Frau, die genauso viel gewogen hat wie ich zu dem Zeitpunkt, und hat für mich unglaubliche Gewichte bewegt. Ich wusste gar nicht, dass das möglich ist. Ich fand diese Stärke total toll und sie hat mich inspiriert, weil ich von Natur aus kein sehr starker Mensch bin.
Es ist total bewundernswert, was diese Frauen leisten und schön, dass inzwischen immer mehr Frauen ins Powerlifting kommen, was früher eine Männersportart war.
Rebecca: Was motiviert dich zum Powerlifting?
Lilly: Als Kind war ich sehr unsportlich. Wenn im Sportunterricht Völkerball gespielt und die Teams gewählt wurden, blieb ich immer als Letzte sitzen. Es wurde sich über mich lustig gemacht. Es ist cool zu sehen, dass ich einen Sport gefunden habe, den ich sehr gerne mag, in dem ich Erfolge erzielen und mich selbst pushen kann.
Rebecca: Wie war dein Körperbild vor dem Powerlifting und wie hat es sich dadurch verändert?
Lilly: Das war lange sehr schwierig für mich. Ich hatte nie viel Selbstbewusstsein, dafür immer das Gefühl, ich bin zu dick und muss abnehmen. Aber jetzt, wo ich das überwunden habe, mache ich Sport nicht als Bestrafung oder um dünner zu sein, um weniger zu werden, sondern um mehr zu werden und um zu performen. Das Aussehen steht nicht im Vordergrund. Stattdessen will ich, dass mein Körper Leistung erbringt, ich möchte ihm die Basis dafür geben mit dem Essen. Das finde ich superschön daran.
Rebecca: Frauen werden oft als das schwächere Geschlecht bezeichnet. Entspricht das deiner Erfahrung?
Lilly: Natürlich gibt es biologische Unterschiede, zum Beispiel beim Testosteron, was beim Muskelaufbau und der Kraft hilft. Natürlich sind auch die absoluten Zahlen niedriger. Mich stört das alles aber nicht, es sind einfach andere Voraussetzungen. Frauen sind ja nicht schwächer, weil sie nicht so hart arbeiten. Im Gegenteil, oft muss man als Frau gerade am Anfang unglaublich viel Arbeit reinstecken, weil Frauen durch generell weniger Kraftsport oft die Basis fehlt, die viele Männer schon haben. Es ist total bewundernswert, was diese Frauen leisten und schön, dass inzwischen immer mehr Frauen ins Powerlifting kommen, was früher eine Männersportart war. Von Kraftsport generell kann eigentlich jeder Mensch profitieren. Aber gerade Frauen, denen oft gesagt wird: “Bleib klein, werd weniger, nimm ab”, kann das sehr viel bringen.
Hannah: Was würdest du anderen – vielleicht gerade Frauen – raten, die mit dem Powerlifting anfangen möchten?
Lilly: Traut euch! Ich kenne das sehr gut von mir. Gerade als Mensch, der in seiner Kindheit oder Jugend nicht sportlich war. Wenn euch jemand fürs Anfangen auslacht, dann sagt das einfach alles über ihn oder sie aus und nichts über dich, weil das das Niedrigste ist, was man machen kann. Aber ich habe in der Community selbst bisher immer nur Support erlebt.
Zur Person:
Lilly ist 21 Jahre alt und wohnt mit ihrem Hund Agatha seit Anfang 2020 in Freiburg. Hier macht sie ihre Ausbildung zur Fachinformatikerin für Systemintegration. In ihrer Freizeit macht sie gerne Poetry Slam und Powerlifting.
Wenn ihr jetzt noch nicht genug vom Powerlifting habt, schaut euch Lillys Freundin an, die letztes Jahr die deutschen Meisterschaften in ihrer Gewichtsklasse gewonnen hat und für Lilly eine große Unterstützerin ist.