Die Stadt Alta hatte mich gepackt. Die Wanderwege und der Fluss vor dem Campingplatz luden zum spazieren gehen ein. Das Altamuseum versprach eine Zeitreise und der Campingplatz einen luxuriösen Aufenthalt. Also entschied ich mich dazu, noch einen Tag länger zu bleiben, denn auch die Busverbindungen nach Narvik sprachen dafür.
Nach einer Stärkung fuhr ich mit dem kostenlosen Fahrrad vom Campingplatz ins Museum. Dort waren due vom UNESCO Weltkulturerbe geschützten Steinritzereien zu sehen. Zuerst eignete ich mir einige Informationen in einer Ausstellung an. Hier in Alta wurden im 20. Jahrhundert Steinritzungen von einem Einheimischen entdeckt. Nach und nach legten Archäologen immer mehr Ritzungen frei. Die Ritzungen sind zwischen 2000 und 7000 Jahre alt, wobei die ältesten Ritzungen weiter oben am Berg liegen und die Jüngsten unten am Ufer zum Meer. Das liegt daran, dass die Gletscher in der Steinzeit so ein starkes Gewicht hatten, dass sie die Erdkruste nach unten drückten. Als sich das Eis zurückzog, hob sich das Land langsam wieder und mit der Zeit „wuchs“ immer mehr Land aus dem Meer.
So vertieft in die großen Mythen der Steinzeitmenschen, deren Glauben, Traditionen und Jagden, wurde ich von Oliver unterbrochen, wie ich später erfuhr, einem jungen Dozenten aus München. Zusammen erkundeten wir draußen den Holzweg, von dem aus man die Steinritzungen beobachten konnte. Wir machten uns einen Spaß daraus, die „Kritzeleien“ zu entziffern und stellten uns besonders die Frage, warum die Menschen damals anfingen zu „zeichnen“. Saßen sie vielleicht nach einer erfolgreichen Bärenjagd auf dem glatten Stein und ließen sich von der Sonne wärmen? Vielleicht viel ihnen ein Stein in die Hand und aus Langeweile begannen sie auf dem anderen Stein rumzuhämmern. Vielleicht kam ihnen dann der Gedanke, die Bärenjagd aufzumalen?
Ich denke, es ist gar nicht so abwegig, dass die Steinzeitmenschen zu „malen“ anfingen. Auch wenn sie oft als primitive Menschen dargestellt werden, besaßen sie Emotionen und Wünsche, was man aus den Funden über Rituale und Glauben sehen kann. Sie unterscheiden sich nicht großartig von uns und wir schreiben und malen auch. Ich verfasse gerade in diesem Moment einen Bericht, ihr habt vielleicht heute morgen die Zeitung gelesen oder seid durch social Media gescrollt. Überall begegnen uns Bilder und Schriften. Wir könnten uns die gleiche Frage wie zu den Steinritzungen fragen: Warum eigentlich? Wir wollen uns mitteilen, Informationen verbreiten, unserer Meinung Ausdruck verleihen oder vielleicht sogar etwas hinterlassen. Klingt es so abwegig, wenn es den Steinzeitmenschen genauso erging? Wahrscheinlich wollten auch sie eine Geschichte verewigen, die sie erlebt haben, andere darüber informieren oder einfach etwas schaffen, das bleibt. Das haben sie geschafft. Nach 5000 bis 7000 Jahren kommen Menschen und bestaunen diese. Wer weiß, wie die Menschen sich in 5000 Jahren über unsere Bücher und Computer in Glasvitrinen beugen.
Neben der Frage, warum die Steinzeitmenschen zu „kritzeln“ anfingen, diskutierten wir über Gott und die Welt. Mir wurden sehr interessante Sichtweisen und Informationen geboten, sowie -zum krönenden Abschluss- noch eine Waffel und ein Tee.
Danach verabschiedeten wir uns. Oliver machte sich mit seinem Rad weiter Richtung Nordkapp. Ich hingegen schaute mir die Ausstellung noch zu Ende an und fuhr dann mit meinem Rad zum nächsten Supermarkt.
Zurück am Campingplatz kochte ich mir in der gut ausgestatteten Küche ein Reisgericht, denn der Reis war in der Küche frei zur Verfügung gestellt worden.
Mit vollem Bauch machte ich mich noch auf einen Verdauungsspaziergang und legte mich schließlich in mein Zelt.